Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: es wurde eine traumhafte, rauschende Ballnacht. Dieses Kleid hat seiner Trägerin zu einem ganz besonderen Gefühl an diesem Abend verholfen und hat außerdem  ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und reichlich Bewunderung geerntet, von den Damen, aber überraschenderweise auch den Herren der Schöpfung. Eine betont feminine Ausstrahlung und dazu noch etwas Eleganz bringen es eben. Der größte Fan allerdings war mein Mann. Der Plan mit dem „Schwung zum Tanzen“ ist absolut aufgegangen, kein Tanz wurde ausgelassen, bis die Band in den frühen Morgenstunden aufhörte zu spielen.
Der Aufwand und all die  Mühe haben sich für so viel Lebensfreude also mehr als gelohnt.

Nun aber der Blick hinter, genauer: unter die Kulissen:
Über den Aufbau des Unterrockes wurde bereits im letzten Beitrag vom 16. Januar 2017 berichtet. Das war im Prinzip auch schon die Hauptarbeit in diesem Projekt und hat die meiste Zeit beansprucht. Dafür wurden insgesamt 36 Meter Tüll verarbeitet, der in 99 einzelne Bahnen unterschiedlicher Höhen zugeschnitten wurde.
Daraus ergaben sich dann Nähstrecken von 139 Metern, die mit dem Janome Ruffler in kleinen Fältchen gelegt wurden.
Das Ergebnis war dann sozusagen der Petticoat für’s Ballkleid.

Damit ging es dann zu meiner Frau Borgert, www.schnittmuster-Werkstatt.de, um einen Schnitt für das Oberkleid zu entwickeln. Dieser Schnitt stand anfangs nämlich noch gar nicht fest. Es gab zunächst wirklich nur die Idee des weit schwingenden Rockteiles des Kleides. Insgesamt sollte es ein Kleid aus der Zeit der Petticoats werden, also im Stil der Fünfziger Jahre.
Schnell war dann bezüglich des oberen Teils des Oberkleides klar, dass es ein einfacher Schnitt werden musste, um dem weit schwingenden Rock nicht die Show zu stehlen. Wir entschieden uns also für ein eher schlichtes Oberteil und einen Tellerrock. Dessen Rocksaum misst übrigens siebeneinhalb Meter!

Die Wahl des Oberstoffes war natürlich bereits vor Beginn des Projektes getroffen worden. In meinem Stofflager fand sich ein vier Meter großes Stück orange/hellblau gestreifte Krawattenseide, das ich vor gut drei Jahren bei einer Geschäftsauflösung günstig geschossen hatte. Es war gut abgehangen, die Zeit für diesen Stoff war nun also gekommen. Doch so schön der Stoff auch aussah, so schwierig war er in der Verarbeitung.
Durch die Webtechnik des Stoffes reagierte an der Nähmaschine der obere Stofftransport anders als der untere Stofftransport. Das bedeutete, dass bei den langen Nähten die Bahnen ungleich transportiert wurden und am Ende die Stofflagen nicht mehr genau aufeinander genäht wurden. Gott sei Dank ließ sich dies kinderleicht durch die Regulierung des Nähfußdruckes an der Janome 14.000 ausgleichen, es bedurfte nur weniger Klicks auf dem Bildschirm.
Insgesamt stecken in dem Ballkleid caXXX Meter Nähstrecke und etwa 80 Arbeitsstunden.
Einen passenden Gürtel und ein Täschchen aus hellblauem Rips habe ich mir dann zur Belohnung für all die Schufterei gegönnt und von der Firma ELO www.elo-wacker.de anfertigen lassen. Und zur Abrundung für den „großen“ Auftritt gab es dann noch ein paar passende Schuhe aus demselben Rips, angefertigt von der Münchner Firma Hiegl, www.schuh-hiegl.de.

Als das Oberkleid dann endlich mit dem Unterkleid zusammen genäht wurde, entstand so das Ballkleid. Zugegeben, das Tragegefühl war anfänglich sehr ungewohnt, bei jedem Schritt wippte und wogte eine Menge Stoff um meine Beine. Ich fühlte mich fast zu schüchtern, um es selbstbewusst zu tragen. Das änderte sich jedoch schlagartig, als wir an der Garderobe vor dem Ballsaal warteten, um die Mäntel abzulegen. Unter jedem Mantel der anwesenden Damen kamen wunderschöne, meist lange Abendkleider zum Vorschein. Jede hatte sich außerordentlich elegant gekleidet, frisiert und fein geschminkt. Sofort war eine tolle Stimmung im Raum und ich hatte die Sicherheit, mit meinem Kleid nicht aus dem Rahmen zu fallen.

Nachdem für dieses Projekt überdurchschnittlich viel Nähstrecke zu bewältigen war, sei mir abschließend noch ein wichtiger Exkurs zum Thema Nähmaschinennadel gestattet:
Es ist nämlich in der Tat so, dass neben einer guten Nähmaschine die richtige Maschinennadel ganz ausschlaggebend für ein optimales Ergebnis ist. Bei Nadeln handelt es sich im Gegensatz zur Maschine um reines Verbrauchsmaterial, das bei hoher Abnutzung keine optimalen Ergebnisse mehr liefern kann.
Auch wenn eine Nadel auf den ersten Blick noch gut aussieht, gilt als Faustregel  „für jedes neue Projekt eine neue Nadel.“  Leider werden die Nadeln oftmals erst ersetzt, wenn sie gebrochen sind, was aus meiner Sicht fatal ist. Was wäre es für ein Irrtum, eine teure, lieb gewonnene Nähmaschine zu hegen und zu pflegen und am falschen Ende, nämlich an der Nadel zu sparen! Und mit einer neuen Nadel schnurrt die Nähmaschine auch wie neu! Auf das Gesamtprojekt gesehen sind die Kosten für Nadeln nur marginal, aber in der Wirkung ausschlaggebend.
Auch rate ich dringend ab  von billigen no-name -Nadeln. Sie können nur billig beim Kauf sein, weil sie es bereits in der Herstellung sind, was ein Hinweis auf schlechte Qualität ist. Auf folgenden Bildern könnt ihr den Vergleich zwischen einer Billignadel und einer Qualitätsnadel sofort erkennen.

Ich persönlich greife fast ausschließlich zu Qualitätsnadeln der Marke ORGAN. Das liegt zum einen an meiner jahrelangen guten Erfahrung mit deren Produkten, aber auch daran, dass sie in so wunderschönen kleinen Nadelbriefchen liegen. Diese waren schon in der Nähmaschinenschublade meiner Mutter zu finden …

Doch damit genug für heute.
Nach dem aufwendigen Projekt Ballkleid freue ich mich jetzt auf ein einfaches und genussvolles Nähprojekt für‘ s Frühjahr, inspiriert durch den Petticoat …..   lasst Euch überraschen!

Herzliche Grüße und bis zum nächsten Mal
Eure Ute

An der Diskussion teilnehmen 3 Kommentare

  • Leo sagt:

    Ganz große Klasse!
    Ich bin wirklich begeistert und sehr angetan!
    Ganz liebe Grüße aus Frankfurt,
    Leo 🙂

    • Christy sagt:

      Ein echtes Traumkleid! Und mit dem Reißverschluss sehr originell – ein Kleid für die Prinzessin von heute! Das I-Tüpfelchen sind aber wirklich die passenden Schuhe. Supercool! 🙂

  • Dr. Petra Hanne sagt:

    Ute hat nicht zu viel versprochen. Nach ihren genauen Berichten über das Nähen des Kleides, die ich natürlich auf ihrem Blog minutiös mit verfolgt hatte , war ich sehr gespannt darauf, es aus nächster Nähe sehen zu können. Und zwar während seiner Premiere, denn ich besuchte den gleichen Ball in München. Um es kurz zu machen: Ute schwebte an der Seite ihres stolzen Mannes in den Ballsaal und bezauberte mit ihrem traumhaften Kleid sofort alle Anwesenden: diese Farbe, dieser Schnitt, welche raffinierte Eleganz! Da sage mal einer, Abendroben müssten bodenlang sein! Ute widerlegte diese Ansicht mit einem solchen Auftritt! Der schwingende Petticoat war deutlich zu sehen und bot mit den zauberhaften Schuhen einen wunderbaren Hingucker. Beim Tanzen entfaltete diese Robe ihren ganzen Charme, so dass die Königin der Nacht bald feststand: Denn an diesem Abend konnte keine andere Dame Ute in ihrem selbst erfüllten Traum das Wasser reichen. Das musste ich neidlos zugeben. Ich freue mich schon auf ihre nächste Idee!